Donnerstag, 31. Oktober 2019

Nach Hause



Ihr Lieben,

Zuhause.

Was bedeutet das eigentlich?
Mein Mann versteht nicht, wenn ich im Urlaub von unserer Ferienwohnung als Zuhause spreche.

Für mich ist Zuhause alles, was ich liebe auf einem Haufen, gleich wo.

Zum Klassentreffen vor ein paar Jahren, ich hatte gerade in den StoffHandel gewechselt, meinte meine ehemalige Klassenlehrerin, dass sie mich immer noch völlig verpennt in der Schulbank sitzen sieht, weil das Buch am Abend so spannend war.
Und Buchhändlerin zu werden war genau, was sie in mir immer gesehen hat.

Mein Opa übrigens auch.
Er hat mich immer ermuntert zu lesen, abzutauchen, die Fantasie zu beflügeln.
Mein erstes selbst durchgelesenes Buch "Dr.Doolittle" hat er mir damals geschenkt. Ich denke, das war in der zweiten Klasse. Und ich habe es geliebt!

Leider konnte er meine buchhändlerischen Anfänge in der Buchhandlung Peterknecht nicht mehr miterleben. Aber ich bin sicher, es hätte ihm gefallen.

Nach 16 Jahren Buchhandel das Hobby Lesen gegen das Hobby Nähen einzutauschen, ich denke, auch diese Entscheidung hätte er mitgetragen, weil ich zu diesem Zeitpunkt einfach mal was anderes brauchte:

Die tägliche Fahrerei und die Öffnungszeiten im Handel machten mir mit drei Kindern doch arg zu schaffen. Eine Veränderung war nötig. Und wie sagt man so schön? Man weiß erst, was man hatte, wenn es fort ist.

 Viel Freude hat es mir gemacht, die neuen Stoffe zu streicheln und für den Webshop einzufangen. Ich durfte viel lernen, viel weitergeben und einiges an Ideen einbringen und umsetzen. Aber irgendwie fehlte eben doch was Entscheidendes.

 Die Liebe zu meinen Büchern kann eben auch tägliches Stoffe-streicheln nicht ändern.

 Also jetzt alles auf Anfang.

 Vier Jahre danach.

 Ich gehe zurück.

 Nach Hause.

 Zu meinen Büchern.

 Zu meinen Kollegen.

 In meine Buchhandlung.

 Klar, ich habe immer noch drei Kinder.
Die liebe ich und alle drei brauchen eine ausgeglichene, glückliche Mama.

 Ja, ich muss wieder jeden Tag pendeln.
20 Minuten vor und nach der Arbeit ganz für mich allein. Mit Buch und Kopfhörern.

 Ja, es gibt noch immer verkaufsoffene Sonntage, deren Sinn sich mir nur schwer erschließt. Das wird sich kaum ändern, gehört aber eben dazu.

 Abendveranstaltungen, deren Sinn sich mir durchaus erschließt, die familientechnisch trotzdem ein Zeiträuber sind.

 Ganze Samstage von zu Hause weg. Dafür freie Tage unter der Woche. Immerhin, das Kindergartenkind kann dann einfach mal blau machen.

 Auf jeden Fall habe ich wieder so auch Zeit für mich. So herrlich es ist, morgens mit der Familie das Haus zu verlassen, und abends mit allen Heim zu kommen. So ein bissl Zeit nur für mich (ok, und den Haushalt) ist unschlagbar.

 Ich habe viel gelernt und es war eine schöne Zeit.

Aber so ein Buchhändlerherz schlägt eben fürs Buch.

Und wenn die Stoffe jetzt wieder Hobby sind, dann ist auch das gut so. Jemand anderer darf jetzt Stoffe streicheln und knipsen. Ich gebe diese Aufgabe, welche wirklich Spaß gemacht hat, gern weiter. Es hat Spaß gemacht, das ganze weiterzuentwickeln und neue Techniken zu nutzen.

 Und so gehe ich den Weg zurück in freudiger Erwartung.
Auch wenn die Zeit durch ein trauriges Ereignis überschattet wird: ist doch unser Senior-Chef vor einigen Tagen verstorben. Ich war sein letzter Lehrling und er hat mir vieles noch auf traditionelle Art beigebracht.

Lieber Chef, 
die 4-Stapel-Aufteilung des Alphabetes habe ich mir bis heute nicht gemerkt. 
Aber ganz viele Dinge, die wir in der Schule und Berufsschule nie gelernt haben, sind hängen geblieben: Leidenschaft für den wohl schönsten Beruf der Welt.
Freude daran, Wissen weiterzugeben.
Spaß daran Menschen Erlebnisse mit auf den Weg zu geben.
So ein bisschen haben Sie mir meinen Opa ersetzt.
Mit Ihrer Liebe zum geschriebenen Wort und Ihrer Vorliebe für Jazzmusik. Und natürlich mit Ihrer verrückten Art, sich um alle Mitarbeiter zu kümmern.
Nach jedem Kinogang haben Sie versucht mir die "leisen" Filme schmackhaft zu machen. Und noch immer muss es bei mir auf der Leinwand ordentlich rumsen und krachen. Da ist wohl Hopfen und Malz bei mir verloren.
Recuerdame, Chef. Wir werden an Sie denken.
Jeden Morgen beim Aufschließen der Tür zur Buchhandlung und jeden Abend beim Abschließen.
Und ich ganz besonders, wenn ich mich im nun etwas gesetzten  Alter doch mal in einen "ganz leisen Film" verirre. 

Ein Leben soll gefeiert werden und viel wunderbare Erinnerungen werden nun ausgetauscht und aufgefrischt.

Wir sehen uns in der Buchhandlung.
Seht es mir nach, wenn ich in den nächsten paar Wochen noch nicht jedes Buch im Laden duze.
Ich arbeite dran, ganz sicher.

 Im Bücher als Geschenk verpacken bin ich immer noch unschlagbar! Das ist wie Fahrradfahren.

 Und alles andere kommt auch wieder.

Aus Liebe.

Aus Berufung. Ja, ich denke, so kann man es nennen.
Ich weiß es.

Und vielleicht geht Ihr einfach mal in Eure Buchhandlung vor Ort und gebt dem lieben Menschen dort (und Ihr könnt's glauben, wir Buchhändler sind ein ganz liebenswertes Völkchen. Die gutmütigen Hobbits unter den Einzelhändlern sozusagen) die Chance, Euch ein Leseerlebnis ganz ohne großes A zu schenken.
Lasst Euch anstecken von der Begeisterung.
Tauscht Euch aus.
Kommt ins Gespräch.

Liebste Grüße

Sabrina

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